Projekte

Kassandra 2017 – 2020

 Kassandra und die schönen Sybillen
„Worte in den Wind gesprochen…
…über das Unerhörte, Erhören und Gehört werden“

Die Macht der Seherinnen zeigt sich im Wandel der Zeiten bis heute. Ihre Höhlen, Quellen und Haine, an denen sie vor erinnert tausenden von Jahren lebten und weissagten, waren heilig. Wie viele Sybillen es einmal gab, ist nicht überliefert. Ihre Worte sind vergangen. Ihre Aufzeichnungen zerstört.
Der Übergang zum Patriarchat dauerte lange und war sehr grausam. Die „große Mutter“ zu entmachten ist fast gelungen. Krieg, Gewalt und Willkür vor allem gegen weise und mächtige Frauen herrschen damals wie heute.
Aber viele Menschen legten Zeugnis ab über das Wirken der Sybillen und Seherinnen – in der Literatur und in der Kunst. Christa Wolf hat in ihrer „Ilias“ aus weiblicher Sicht vom Leid und den Schmerzen der Seherin Kassandra geschrieben. Diese Frauen sind nicht vergessen.

Die Ausstellung möchte am Beispiel der Prophetin Kassandra, ihr Frauenschicksal nachempfinden – wie es ist „unerhört“ zu bleiben: Zur Priesterin bestimmt erlebte sie mehrfach das „zweite Gesicht“. Widerständig gab sie sich dem Gott nicht hin, der sie besitzen wollte. Sie ließ sich nicht missbrauchen und wurde von ihm dafür bestraft.  Und – so die Sage – mit ihr stürzten die Troer und Troerinnen, die nicht auf ihre Sehergabe vertrauen und hören wollten. – Christa Wolf präsentiert uns Kassandra als eine Zeitzeugin des andauernden Kampfs der Frauen, Gehör zu finden.

Die Kunst und die Schönheit – vom Erhört zum Gehört werden

So wie von der großen Göttin und Mutter in den Religionen nur Maria geblieben ist (als „reine Magd“ mit einem göttlichen Kind). So ist es auch in der Kunst bis heute: Frauenschönheit wird bewundert, gilt als anbetungswürdig. Frauen erscheinen im Bild ungefährlich und in der Distanz unberührbar. Ihre Schönheit möchte wahr und zeitlos sein. Schöne Frauen werden gesehen und erhört.  – Doch werden sie auch gehört?
Durch die „Anbetung“ stehen sie über Gewalt und Tod. Sind wieder heilig geworden.
Schöne Frauen erfüllen vor allem Männer mit Ehrfurcht. Doch die Kehrseite davon kennen wir: Frauen sollen gleichzeitig verfügbar sein, Besitz sein und Statussymbol – und das Wort nicht erheben. So kann die Schönheit nur scheinbar und in ihrer Jugendlichkeit Macht ausüben. Sie muss passiv bleiben. Sie ersetzt in keiner Weise unseren Kampf um Selbstbestimmung, Eigenmächtigkeit und Selbstakzeptanz.

So lasst uns nicht nur schön sein und stark, sondern auch weise und widerständig.

Vielleicht sollte man diese Geschichte auf Heute so übertragen. Folge deiner eigenen Stimme, denn sie ist wahr und richtig. Belasse jedem seine eigene Stimme und suche dir diejenigen, die den gleichen Ruf in ihrer Brust tragen. Auf Augenhöhe.“
Danke für dieses weise und starke Schlusswort an meine Tochter Eva!

Elisabeth Seidel